In der Welt, aber nicht von der Welt

[einige kleine persönliche Reflektionen]

"Ich bin nicht mehr in der Welt, aber sie sind in der Welt, und ich gehe zu dir. Heiliger Vater, bewahre sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, damit sie eins sind wie wir. Solange ich bei ihnen war, bewahrte ich sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast. Und ich habe sie behütet, und keiner von ihnen ging verloren, außer dem Sohn des Verderbens, damit sich die Schrift erfüllt. 
Aber jetzt gehe ich zu dir. Doch dies rede ich noch in der Welt, damit sie meine Freude in Fülle in sich haben. Ich habe ihnen dein Wort gegeben, und die Welt hat sie gehaßt, weil sie nicht von der Welt sind, wie auch ich nicht von der Welt bin. Ich bitte nicht, daß du sie aus der Welt nimmst, sondern daß du sie vor dem Bösen bewahrst. Sie sind nicht von der Welt, wie auch ich nicht von der Welt bin. Heilige sie in der Wahrheit; dein Wort ist Wahrheit. Wie du mich in die Welt gesandt hast, so habe auch ich sie in die Welt gesandt. Und ich heilige mich für sie, damit auch sie in der Wahrheit geheiligt sind." (Johannes 17,11b-19)

In der Welt, aber nicht von der Welt. Wir, die wir uns Christen nennen, gehören zu Jesus Christus. Weil er nicht von der Welt war, sind auch wie nicht von der Welt. Dass das auch zu Problemen führen kann, wenn man sich um diese Zugehörigkeit zu Jesus offen bemüht, ist inzwischen kein Geheimnis mehr. Man kann es sogar leider immer öfter beobachten. Und auch wenn ich jetzt pessimistisch klingen mag, befürchte ich doch, dass es nicht besser werden wird in naher Zukunft.
"Wenn die Welt euch haßt, dann wisst, dass sie mich schon vor euch gehasst hat. Wenn ihr von der Welt stammen würdet, würde die Welt euch als ihr Eigentum lieben." (Joh 15, 18-19) 
Dieser scharfe Kontrast, der hier zwischen der Welt und Jesus gezogen wird, ist mir schon öfter aufgefallen und lag mir lange ziemlich im Magen. Der Apostel Paulus wird noch etwas deutlicher, wenn er in seinem Brief an die Galater die Werke aufzählt, an denen man erkenne könne, wes Geistes Kind einer sei:
"Die Werke des Fleisches sind deutlich erkennbar: Unzucht, Unsittlichkeit, ausschweifendes Leben, Götzendienst, Jähzorn, Eigennutz, Spaltungen, Parteiungen, Neid und Missgunst, Trink- und Essgelage und ähnliches mehr." (Gal. 5, 19-21)
Eigentlich alles, was den 10 Geboten zuwiderläuft. Allerdings wird hier sehr scharf verurteilt, was mich zu meinem eigentlichen Problem mit in dieser Evangeliumsstelle bringt: wenn wir Christen glauben, dass Gott, als der Allmächtige und Gute, die Welt und alles was in ihr ist geschaffen hat, wie können wir dann die Welt pauschal als schlecht verurteilen?
"Gott sah alles an, was er gemacht hatte: es war sehr gut." (Gen 1, 31)

Wenn wir nun also davon ausgehen, dass die Welt als solche nicht pauschal schlecht ist, müssen wir uns fragen, warum dann Jesus so sehr darauf besteht, dass seine Jünger nicht von der Welt seien. Ich denke, es hat viel mit dem Blickwinkel zu tun. Ob wir mit dem Blick auf unser Leben nur in Irdischem verhaftet bleiben, also denken, dass mit dem körperlichen Tod alles aus ist. Dann müssen natürlich die 70, 80 evtl. 90 Jahre so gut gefüllt werden wie es geht. Das kann dann ziemlich schnell in eine "Diktatur der Wünsche" führen, in der jeder Wunsch sofort erfüllt werden muss und es keine  natürlich-kreatürlichen Grenzen mehr geben darf. Damit hat man dann aber im buchstäblichen Sinn alle Hände voll zu tun und kann nicht mehr für das Reich Gottes arbeiten. Oder man tut es nur halbherzig, weil man eigentlich gar nicht richtig daran glaubt. Dann besteht die Gefahr, dass man Gott ziemlich schnell vergisst.
In einer Gott vergessenden Welt wird der Mensch dem Menschen eben doch bloß ein Wolf. Oder um es mit den Worten Papst Pauls VI. zu sagen, den Benedikt XVI. in seinem Lehrschreiben „Caritas in veritate“ ausdrücklich zitiert: Aus sich selbst heraus sei der Mensch unfähig, einen „echten Humanismus“ zu betreiben. Den tieferen Grund verrät Benedikt XVI. selbst, wenn er gegen Ende der Enzyklika schreibt: „Ohne Gott weiß der Mensch nicht, wohin er gehen soll, und vermag nicht einmal zu begreifen, wer er ist.“ (Vatican-Magazin 4/2012)

Das scheint mir ein sehr wichtiger Punkt hierbei zu sein. Dass wir nicht vergessen, dass wir Kreaturen sind, geschaffen von Gott. Dass Er uns liebt als seine Geschöpfe, seine Kinder, das ist dabei das Beste, das Unterscheidende von allen anderen Religionen, das uns fähig macht, den Blick zum Himmel zu erheben. Dorthin wo Jesus uns vorausgegangen ist und wo auch wir eines Tages sein werden. Es weitet einfach unseren Horizont, wenn wir wissen, dass das hier auf Erden nicht alles ist und es rückt einige Dinge gerade. Es macht auch gelassener gegenüber Anfeindungen (auch wegen des Glaubens) wenn man sagen kann:  "Alles vergeht. Du, Herr, bleibst in Ewigkeit."
Amen.


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