Kathedra Petri: Der Glaube wurzelt in der Liebe
"[...] Liebe Brüder und Schwestern! Diese Episode aus dem Evangelium, die
wir gehört haben, findet eine weitere und noch anschaulichere Erklärung
in einem sehr bekannten künstlerischen Element, das den Petersdom ziert:
im Kathedra-Altar. Wenn man durch das grandiose Mittelschiff geht und
nach Überwindung des Querschiffs zur Apsis gelangt, sieht man sich vor
einem riesigen Thron aus Bronze, der zu schweben scheint, in
Wirklichkeit aber von den vier Statuen großer Kirchenväter des Ostens
und des Westens gehalten wird. Und über dem Thron, umgeben von einem
Triumph in der Luft schwebender Engel, leuchtet im Ovalfenster die
Herrlichkeit des Heiligen Geistes. Was sagt uns nun dieses
bildhauerische Gefüge, das wir dem Genie des Bernini verdanken? Es
stellt eine Sicht des Wesens der Kirche und – in ihr – des petrinischen
Lehramtes dar.
Das Apsis-Fenster öffnet die Kirche nach außen, zur gesamten
Schöpfung hin, während das Bild der Taube des Heiligen Geistes Gott als
Quelle des Lichtes zeigt. Doch da ist auch noch ein anderer Aspekt
hervorzuheben: Die Kirche selbst ist nämlich wie ein Fenster, der Ort,
an dem Gott sich naht, unserer Welt entgegenkommt. Die Kirche existiert
nicht für sich selbst, sie ist nicht das endgültige Ziel, sondern muss
über sich hinausweisen, nach oben, über uns hinaus. Die Kirche ist
wirklich sie selbst in dem Maß, in dem sie den Anderen – den
„Anderen" schlechthin – durchscheinen lässt, von dem her sie kommt und
zu dem sie führt. Die Kirche ist der Ort, wo Gott bei uns „ankommt" und
wo wir zu ihm hin „aufbrechen"; sie hat die Aufgabe, außer sich selber
auch jene Welt zu öffnen, die dazu neigt, sich in sich selbst zu
verschließen, und ihr das Licht zu bringen, das von oben kommt, ohne das
sie unbewohnbar würde. [...]
Die große Kathedra wird gestützt von den Kirchenvätern. Die beiden
Lehrer des Ostens – der heilige Johannes Chrysostomus und der heilige
Athanasius – stellen gemeinsam mit den lateinischen – dem heiligen
Ambrosius und dem heiligen Augustinus – die Gesamtheit der Überlieferung
und somit den Reichtum des Ausdrucks des wahren Glaubens der einen
Kirche dar. Dieses Element des Altars sagt uns, dass die Liebe sich auf
den Glauben gründet. Sie zerbröckelt, wenn der Mensch nicht mehr auf
Gott vertraut und ihm nicht gehorcht. Alles in der Kirche ist auf den
Glauben gegründet: die Sakramente, die Liturgie, die Evangelisierung,
die Liebe. Auch das Recht, auch die Autorität in der Kirche fußen auf
dem Glauben. Die Kirche regelt sich nicht in autonomer Weise, sie gibt
sich nicht selbst ihre Ordnung, sondern empfängt sie vom Wort Gottes,
das sie im Glauben hört und zu verstehen und zu leben sucht. Die
Kirchenväter haben in der Gemeinschaft der Kirche die Funktion von
Bürgen für die Treue zur Heiligen Schrift. Sie sichern eine
zuverlässige, solide Exegese, die fähig ist, mit der Kathedra Petri ein
festes, einheitliches Gefüge zu bilden. Die im Licht der Väter vom
Lehramt maßgeblich interpretierte Heilige Schrift erleuchtet den Weg der
Kirche in der Zeit, indem sie ihr inmitten der geschichtlichen
Veränderungen ein beständiges Fundament geben.
Nachdem wir die verschiedenen Elemente des Kathedra-Altars bedacht
haben, wollen wir ihn nun in seiner Gesamtheit betrachten. Und dabei
sehen wir, dass er von einer zweifachen Bewegung durchzogen ist: von
einem Aufstieg und einem Abstieg. Es ist das Wechselspiel zwischen
Glaube und Liebe. Die Kathedra ist an diesem Ort stark hervorgehoben,
denn hier ist das Grab des Apostels Petrus, doch auch sie strebt der
Liebe Gottes zu. In der Tat ist der Glaube auf die Liebe hin
ausgerichtet. Ein egoistischer Glaube wäre ein unwahrer Glaube. Wer an
Jesus Christus glaubt und in die Dynamik der Liebe eintritt, die in der
Eucharistie ihre Quelle hat, entdeckt die wahre Freude und wird
seinerseits fähig, nach der Logik des Schenkens zu leben. Der wahre
Glaube ist erleuchtet von der Liebe und führt zur Liebe, nach oben, wie
der Kathedra-Altar bis zum leuchtenden Fenster, zur Herrlichkeit des
Heiligen Geistes emporführt, dem eigentlichen Brennpunkt für den Blick
des Pilgers, wenn dieser die Schwelle des Petersdoms überschreitet.
Dieses Fenster heben der Triumph der Engel und der großen vergoldete
Strahlenkranz in höchstem Maße hervor, mit einem Eindruck der
überquellenden Fülle, welche den Reichtum der Gemeinschaft Gottes zum
Ausdruck bringt. Gott ist nicht Einsamkeit, sondern glorreiche,
freudvolle, sich verströmende, strahlende Liebe.
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