Wir glauben an Gott, den Vater

Nach der Kurzversion kommt nun heute die Langfassung der 2. Papstkatechese zum Glaubensbekenntnis:
>>In den Betrachtungen über »Was ist Glaube?« in diesem Jahr des Glaubens sind wir in der letzten Katechese beim Credo angelangt und haben den Satz »Ich glaube an Gott« betrachtet. Das Wort »Gott« ist dann versehen mit zwei Zusätzen: »den Vater, den Allmächtigen«. Und heute möchte ich diese beiden Titel, vor allem den Titel »Vater« mit euch betrachten. Es ist heute schwer, von dem Wort »Vater« her ein Bild Gottes zu gewinnen, weil der Vater in unserer Gesellschaft kaum noch erscheint. Ein Theologe hat gesagt, heute müßte man nicht nur das Gleichnis vom verlorenen Sohn, sondern ein »Gleichnis vom verlorenen Vater« schreiben. Er ist nicht mehr da oder verzerrt vorhanden. Was sagt uns das Wort »Vater«? Wenn wir es hier in unserer heutigen Wirklichkeit kaum noch wahrhaft überzeugend ausgedrückt finden – obwohl wir die Krise nicht vergröbern sollen –, so zeigt uns jedenfalls die Heilige Schrift das Urbild dessen auf, was Vater-Sein sein sollte, was Vater-Sein Gottes bedeutet. Der Bezug auf die Gestalt des Vaters läßt uns etwas von Gottes Liebe verstehen, die größer ist als die eines jeden Menschen. Die Schrift sagt uns: Schon vor der Erschaffung der Welt hat Gott uns geliebt, und er begleitet unser ganzes Leben mit seiner Liebe und Gnade. Er ist ein Vater, der seine Kinder nie verläßt, sondern sie in Liebe und Treue trägt und hält, der seine Sonne über Böse und Gute aufgehen läßt (vgl. Mt 5,45), der die Vögel des Himmels und die Blumen kleidet und der um uns nicht weniger sorgt als um Vögel und Blumen (vgl. Mt 6,26ff). In Jesus Christus wird das Gesicht des Vaters offenbar. Er ist das »Ebenbild des unsichtbaren Gottes« (Kol 1,15). In ihm können wir sehen, was Vaterschaft Gottes heißt. An Gott Vater glauben heißt, unter dem Wirken des Heiligen Geistes an den Sohn glauben. Gott ist für uns Vater, da er seinen Sohn für uns hingibt, unsere Sünden verzeiht und uns den Geist schenkt, der uns rufen läßt: »Abba, Vater« (Röm 8,15). Im Ostergeheimnis leuchtet schließlich das Gesicht Gottes vollends auf. Und da ist nun das Wort von der Allmacht: Ist Gott wirklich allmächtig, wenn es so viel Böses in der Welt gibt, wenn es so eine ungeheure Macht des Negativen gibt? Viele zweifeln heute an der Allmacht Gottes. Aber Gottes Allmacht ist anders, als wir uns Macht vorstellen. Es ist nicht Macht, die zuschlägt, sondern Macht, die gütig ist, die Freiheit gibt und die heilt, die warten kann und die den anderen durch Liebe überzeugt. Gott hat einen Teil seiner Macht wirklich an uns abgetreten, als er uns die Freiheit gab, die er respektiert mit all ihren Konsequenzen. Freiheit ist ihm so kostbar, daß er auch diese Konsequenzen hinnimmt, und er, das ganze überblickend, weiß, daß er es kann und darf. Gottes Allmacht bedeutet, daß er auf unsere Bekehrung wartet, daß er nicht durch Gewalt uns vom Bösen abbringt, sondern durch die überzeugende Güte seines Erbarmens, durch die Güte seines Sohnes. Und ich glaube, wir sollten einmal darüber nachdenken, was das bedeutet: Gott wartet auf meine Bekehrung, wartet darauf, daß ich frei zu ihm komme, daß ich sein Gesicht erkenne, sein Herz erkenne, daß ich ihn lieben lerne und dadurch wahr werde. Und so ist er unser wahrer Vater, wie wir in dem Gleichnis vom verlorenen Sohn sehen, der auch wartet, der seinem Sohn die Freiheit läßt, sich zu verlieren, wissend, daß in seinem Herzen die Sehnsucht nach dem Vater stark ist und das Böse überwinden wird. Lassen wir uns von dieser Art von Gottes Macht überzeugen. Nicht die Macht, dreinzuschlagen und zu zerstören, ist die wahre Macht, sondern die Macht, gütig zu sein und mit der Macht der Vergebung zu verwandeln. Das ist die wirkliche Allmacht, die Macht Gottes, der wir uns anvertrauen und die uns ruft, der wir mit unserer Freiheit antworten wollen.<<

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