Vom Beten der Kirche

Deine Gebete sind kühner als alle Gebirge der Denker!
Du baust sie wie Brücken ins Uferlose, 
    du lässt sie wie Adler ins Schwindelnde steigen. 
Wie Schiffe sendest du sie in Meere des Unbekannten, 
    wie große Seeschiffe in Wildnisse voller Nebel. 
Der Welt graut bei deinen gefalteten Händen, 
    und ihr ist bange bei der Inbrunst deiner Knie, 
Ihre Lippen spotten vor Angst, 
    und sie verriegelt sich in den Kammern ihrer Zweifel, 
Denn du gibst sie der Ewigkeit preis bei lebendigem Leibe 
    und heißt ihre Jahre verwesen, ehe sie vorüber: 
Siehe, die Straßen, die von deinem Munde führen, 
    sind Straßen ins Jenseits, 
    und wohin deine Seele sich streckt, ist aller Kreaturen Ende!
Du aber kommst als eine Geschmückte aus der Wüste wieder
    und als eine Erleuchtete aus den Flügeln der Nacht!
Du aber kommst als eine Lebendige aus dem Abgrund
    und als eine Erhörte aus dem ewigen Schweigen. 
Du kommst aus der Vernichtung wieder als eine, 
    die Kraft fand, 
    und kommst aus dem Unsichtbaren wieder als Gestalt. 



[aus: Gertrud von le Fort: Hymnen an die Kirche]

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