Zölibat, die ewige Provokation
Wie kann man den Zölibat, also den freiwilligen Verzicht auf Ehe und Familie zugunsten eines priesterlichen bzw. gottgeweihten Lebens, heute überhaupt leben? Ist das nicht längst überholt, ungesund, weil triebunterdrückend, evtl. sogar missbrauchsfördernd und daher geradezu sittenwidrig? Diese und andere Vorurteile werden seit Jahrzehnten wie eine kaputte Langspielplatte (für die Jüngeren: das sind diese großen, schwarzen Vinylscheiben mit Loch in der Mitte, die Oma oder Opa daheim herumliegen haben) immer wieder heruntergeleiert. Dabei ist es egal, dass die Ehen protestantischer Pastoren oder katholischer Ständiger Diakone eine mindestens ebenso hohe Scheidungsrate aufweisen, wie die 08/15-weltliche Ehe. Und es ist unerheblich, dass auch andere Weltreligionen sexuelle Enthaltsamkeit aus spirituellen Gründen kennen, manche zeitweilig, manche ebenfalls als Lebensentscheidung. Beim Dalai Lama stört es nicht, dass er zölibatär lebt. Nur dass der örtliche katholische Priester keine Ehefrau und auch sonst keine sexuellen Kontakte hat, das scheint ein immerwährender Grund zur Aufregung zu sein. Obwohl man sonst immer so sehr darauf pocht, dass jeder Mensch sein sexuelles Leben so gestalten soll, wie er will. Doch diese Entscheidungsfreiheit wird scheinbar nur gewährt, solange damit sexuelle Aktivität gemeint ist, nicht sexuelle Enthaltsamkeit. Das ist doch absurd. Wenn man für sich für die freie Entscheidung jedes einzelnen Menschen einsetzt, dann sollte man diese Entscheidungen auch dann respektieren, wenn sie nicht so ausfallen, wie man das gern hätte. Das muss man dann halt aushalten. Umso mehr, als es einen in den meisten Fällen ohnehin nicht unmittelbar betrifft.
b) Auch andere geweihte Lebensformen kennen den Zölibat als ein Kennzeichen.
c) Mehrere Jahre lang habe ich ernsthaft geprüft, ob eine dieser geweihten Lebensformen mein Lebensweg mit Gott ist.
Sex wird als Mittel der Triebregelung, der Bedürfnisbefriedigung gesehen. Es wird sogar unterstellt, dass es bei Nicht-Ausübung der sexuellen Aktivität zu gesundheitlichen Störungen kommt. Damit stellt man den Sexualtrieb mit anderen körperlichen Trieben gleich, zum Beispiel dem Drang zu Urinieren, den man nur für eine gewisse Zeitspanne unterdrücken kann. Bei der Aufregung zumeist weltlicher Medien und Stammtische wird übersehen, dass Verzicht auf etwas immer ein Ziel verfolgt. Verzicht nur um des Verzichts willen ist sinnlos. Auch Verzicht nur aus Gehorsam ohne eigene Entscheidung ist sinnlos und letztlich Sklaverei.
Da nun aber der Zölibat seit Anfang des Christentums integraler Bestandteil des geweihten Lebensstandes ist (sei es als Priester, männlicher oder weiblicher Ordensmensch oder Laie mit Gelübden), ist jeder Kandidat eines solches Lebensweges gehalten, bei der Selbstprüfung einer solchen Berufung auch diese Komponente nicht außer Acht zu lassen. Folglich kann man davon ausgehen, dass sich jeder jetzt Geweihte während seiner jahrelangen Ausbildungs- und Entscheidungsphase und besonders im Augenblick seiner Weihe der Konsequenzen dieser Entscheidung bewusst war. Man kann also nicht von einem Zwangszölibat sprechen, da niemand zur Priesterweihe bzw. zum Ordenseintritt oder dem Ablegen eines Privatgelübdes gezwungen wird.
Dem Vorwurf der Nichtbelegbarkeit des Zölibats in der Bibel begegnete die liebe Claudia von katholischlogisch.blog vor einigen Tagen. Ich erlaube mir, eine Passage aus ihrem entsprechenden Post zu zitieren:
Um des Himmelreiches willen
Wenn wir den Zölibat verstehen wollen, müssen wir uns also das Ziel ansehen, um dessentwillen er gelebt wird. Immer noch sagt man, wenn ein junger Mann Priester wird, "der ist für die Frauenwelt verloren". Dieser Satz ist nicht falsch; wenn auch nicht besonders intelligent. Aber man sollte ihn dann genauso sagen, wenn ein Mann und eine Frau heiraten. Auch dieser Mann und diese Frau versprechen Treue und sagen mit dem "Ja" zueinander gleichzeitig "Nein" zu allen anderen Frauen bzw. Männern. Das mit der lebenslangen Treue, die zwar nicht immer leicht fällt, kann also eigentlich nicht der hauptsächliche Grund sein für jahrhundertelange Aggression und Unverständnis gegenüber zölibatär Lebenden. Während der letzten Jahre wurde immer unverhohlener klar, dass es eigentlich um die weitverbreitete Ansicht geht, dass ein Mensch unmöglich ohne seine regelmäßige Dosis Sex leben könne. Diese Meinung reduziert nicht nur den Menschen auf die Ebene eines Tieres, sondern ist auch biologisch falsch. Immerhin gibt es die Lebensform des nicht ausgelebten Sexualtriebs schon lange genug, um genug statistisch belastbare Daten zu der Frage zu sammeln, wie ein bewusst gelebtes Zölibat auf den menschlichen Körper wirkt. Gestorben ist zumindest noch niemand daran. Doch genau wie bei anderen Lebensformen, kann auch der Zölibat falsch gelebt werden und bietet dann ebenso Gelegenheiten zu Unglück und Sünde wie andere falsch verstandene Lebensformen auch.
Die jüngeren Seminaristen und Priester (z.B. meines Bekanntenkreises) haben das inzwischen wieder sehr gut verstanden. Die meisten dieser jungen Männer halten regelmäßig Kontakt zu ihren bestehenden Freundeskreisen und haben eine gute Beziehung zu ihren Eltern und Geschwistern. Und sie pflegen ein sehr regelmäßiges und persönliches Gebetsleben. Wobei wir gleich beim nächsten Vorurteil in Sachen Zölibat wären: Ein Priester könne oder solle keine Ratschläge zu Ehe, Familie und Kindererziehung geben. So ein Quatsch! Wie viele Frauen holen sich Rat bei ihrer besten Freundin, egal ob diese gerade in einer Beziehung ist oder nicht. Und natürlich redet ihr mit eurer besten Freundin oder eurem besten Freund auch, bevor diese selbst ihre erste Beziehung eingehen, oder? Natürlich ist ein Priester anders als der beste Freund (meistens jedenfalls) und besonders dann, wenn er "in Persona Christi" handelt, also stellvertretend für Christus etwas tut, z B. die Sünden vergibt oder die hl. Messe feiert. Aber hier geht es um die Meinung, dass Priester in Fragen menschlicher Partnerschaften nichts sagen sollten, weil sie selbst darauf verzichten. Da wird genauso ein Denkverbot aufgestellt, wie wenn man Männer verbieten will, sich zu Abtreibungen zu äußern, weil sie keine Gebärmutter haben. Letztendlich läuft so eine Haltung auf eine Verengung des Diskurses und auf gruppenbezogene Intoleranz hinaus. In diesem Fall gegenüber der Gruppe der zölibatär Lebenden. Diese sind der lebende Beweis dafür, dass die These von "Sex als Grundbedürfnis ohne den gelingendes Leben nicht möglich sei" schlicht falsch ist.
Ein anderes, nicht zu unterschätzendes Argument ist dieses: Auch im 21. Jahrhundert ist das Christentum die am schlimmsten verfolgte Religion der Welt und Priester geraten besonders oft und gern ins Visier von Extremisten und Terroristen. Aber auch protestantische Pastoren werden entführt, gefoltert, ermordet. Sie hinterlassen meist Familien. An ihren Beispielen kann man sehen, wie verwund,- aber auch erpressbar menschliche Bindungen im Ernstfall machen. Natürlich ist das nur ein Nebeneffekt.
Wirklich lebbar wird der Zölibat, wie jedes lebenslange Versprechen, nur mit einem klaren positiven Ziel vor Augen. Und dieses Ziel heißt LIEBE. Der Zölibatäre ist ein Liebender, ein in Gott zutiefst verliebter Mensch. Für Ihn möchte er genauso ganz da sein, wie andere Menschen für ihre menschliche große Liebe. Das mag idealistisch, romantisch oder überspannt klingen. Tatsache bleibt, dass ein solch großer Lebensplan wie die priesterliche Berufung nur aus der Verheißung einer großen Liebe heraus gelebt werden kann. Nämlich der Liebe von Gott zu uns Menschen und zu dem ganz konkret berufenen Menschen. Und diese Liebe ist dann so groß, dass sie nichts anderes mehr neben sich duldet. Deswegen ist und bleibt der Zölibat die logische Lebensweise einer gottgeweihten Berufung.
Warum sage ich da jetzt was dazu?
a) Der Zölibat ist u.a. ein Merkmal des Priestertums der katholischen Kirche. Ich bin katholisch.b) Auch andere geweihte Lebensformen kennen den Zölibat als ein Kennzeichen.
c) Mehrere Jahre lang habe ich ernsthaft geprüft, ob eine dieser geweihten Lebensformen mein Lebensweg mit Gott ist.
Meine Stellungnahme
Seit der sog. sexuellen Revolution der 1960er Jahre gilt die freie sexuelle Entfaltung als definiertes Menschenrecht. Das meint: Jeder Mensch soll immer dann in dem Moment sexuell verfügbar sein, wenn ein anderer Mensch ihn oder sie begehrt. Praktisch reduziert diese Sichtweise Menschen auf ihren sexuellen Nutzen und ihren Körper. Im äußersten Fall fördert eine solche Denkweise die Ausnutzung in Form von Prostitution. Mit der Legalisierung der Prostitution in vielen Ländern kommt zum Ausdruck, wie gefangen die Mehrheit der Bevölkerung bereits in diesen Denkmustern ist, zum Beispiel wenn unterstellt wird, dass die Prostituierten Spaß an ihrem Gewerbe hätten und es freiwillig tun würden.Sex wird als Mittel der Triebregelung, der Bedürfnisbefriedigung gesehen. Es wird sogar unterstellt, dass es bei Nicht-Ausübung der sexuellen Aktivität zu gesundheitlichen Störungen kommt. Damit stellt man den Sexualtrieb mit anderen körperlichen Trieben gleich, zum Beispiel dem Drang zu Urinieren, den man nur für eine gewisse Zeitspanne unterdrücken kann. Bei der Aufregung zumeist weltlicher Medien und Stammtische wird übersehen, dass Verzicht auf etwas immer ein Ziel verfolgt. Verzicht nur um des Verzichts willen ist sinnlos. Auch Verzicht nur aus Gehorsam ohne eigene Entscheidung ist sinnlos und letztlich Sklaverei.
Da nun aber der Zölibat seit Anfang des Christentums integraler Bestandteil des geweihten Lebensstandes ist (sei es als Priester, männlicher oder weiblicher Ordensmensch oder Laie mit Gelübden), ist jeder Kandidat eines solches Lebensweges gehalten, bei der Selbstprüfung einer solchen Berufung auch diese Komponente nicht außer Acht zu lassen. Folglich kann man davon ausgehen, dass sich jeder jetzt Geweihte während seiner jahrelangen Ausbildungs- und Entscheidungsphase und besonders im Augenblick seiner Weihe der Konsequenzen dieser Entscheidung bewusst war. Man kann also nicht von einem Zwangszölibat sprechen, da niemand zur Priesterweihe bzw. zum Ordenseintritt oder dem Ablegen eines Privatgelübdes gezwungen wird.
Dem Vorwurf der Nichtbelegbarkeit des Zölibats in der Bibel begegnete die liebe Claudia von katholischlogisch.blog vor einigen Tagen. Ich erlaube mir, eine Passage aus ihrem entsprechenden Post zu zitieren:
Die katholische Kirche sieht als Grundlage des zölibatären Lebens Mt. 19,12, wo Jesus nach einigen klaren Worten über die Unauflöslichkeit der Ehe auf eine geradezu ehefeindliche Bemerkung aus Seinem Jüngerkreis hinzufügt: „Denn es gibt Verschnittene, die von Mutterleib so geboren sind; und es gibt Verschnittene, die von Menschen verschnitten sind; und es gibt Verschnittene, die sich selbst verschnitten haben um des Reiches der Himmel willen. Wer es fassen kann, der fasse es!“ (So die Schlachter Bibelübertragung; die Einheitsübersetzung sagt es etwas g’schamiger: „Denn manche sind von Geburt an zur Ehe unfähig, manche sind von den Menschen dazu gemacht und manche haben sich selbst dazu gemacht – um des Himmelreiches willen.“ Schlachter ist hier nur scheinbar genauer; im Original steht εὐνοῦχος, Eunuch. Das Wort Eunuch – von εὐνὴ, Bett, und ἔχειν, haben, halten – bezeichnet ursprünglich jemanden, der keine sexuellen Kontakte hat, der allein im Bett liegt, „sein (eigenes) Bett hat“; die Bedeutung „Kastrat“ kam später hinzu. Jesus sagt also: Es gibt von Natur aus Eheunfähige, es gibt Kastraten, und es gibt Menschen, die sich selbst entschieden haben, „ihr eigenes Bett zu haben“, auf Sex zu verzichten – um des Himmelreiches willen. Und diese letzte Gruppe hat Jesus im Blick – der Verzicht um des Himmelreiches willen ist, wenn er freiwillig und im vollen Bewusstsein geleistet wird, eine gute, heiligende Sache.
Um des Himmelreiches willen
Wenn wir den Zölibat verstehen wollen, müssen wir uns also das Ziel ansehen, um dessentwillen er gelebt wird. Immer noch sagt man, wenn ein junger Mann Priester wird, "der ist für die Frauenwelt verloren". Dieser Satz ist nicht falsch; wenn auch nicht besonders intelligent. Aber man sollte ihn dann genauso sagen, wenn ein Mann und eine Frau heiraten. Auch dieser Mann und diese Frau versprechen Treue und sagen mit dem "Ja" zueinander gleichzeitig "Nein" zu allen anderen Frauen bzw. Männern. Das mit der lebenslangen Treue, die zwar nicht immer leicht fällt, kann also eigentlich nicht der hauptsächliche Grund sein für jahrhundertelange Aggression und Unverständnis gegenüber zölibatär Lebenden. Während der letzten Jahre wurde immer unverhohlener klar, dass es eigentlich um die weitverbreitete Ansicht geht, dass ein Mensch unmöglich ohne seine regelmäßige Dosis Sex leben könne. Diese Meinung reduziert nicht nur den Menschen auf die Ebene eines Tieres, sondern ist auch biologisch falsch. Immerhin gibt es die Lebensform des nicht ausgelebten Sexualtriebs schon lange genug, um genug statistisch belastbare Daten zu der Frage zu sammeln, wie ein bewusst gelebtes Zölibat auf den menschlichen Körper wirkt. Gestorben ist zumindest noch niemand daran. Doch genau wie bei anderen Lebensformen, kann auch der Zölibat falsch gelebt werden und bietet dann ebenso Gelegenheiten zu Unglück und Sünde wie andere falsch verstandene Lebensformen auch.Die jüngeren Seminaristen und Priester (z.B. meines Bekanntenkreises) haben das inzwischen wieder sehr gut verstanden. Die meisten dieser jungen Männer halten regelmäßig Kontakt zu ihren bestehenden Freundeskreisen und haben eine gute Beziehung zu ihren Eltern und Geschwistern. Und sie pflegen ein sehr regelmäßiges und persönliches Gebetsleben. Wobei wir gleich beim nächsten Vorurteil in Sachen Zölibat wären: Ein Priester könne oder solle keine Ratschläge zu Ehe, Familie und Kindererziehung geben. So ein Quatsch! Wie viele Frauen holen sich Rat bei ihrer besten Freundin, egal ob diese gerade in einer Beziehung ist oder nicht. Und natürlich redet ihr mit eurer besten Freundin oder eurem besten Freund auch, bevor diese selbst ihre erste Beziehung eingehen, oder? Natürlich ist ein Priester anders als der beste Freund (meistens jedenfalls) und besonders dann, wenn er "in Persona Christi" handelt, also stellvertretend für Christus etwas tut, z B. die Sünden vergibt oder die hl. Messe feiert. Aber hier geht es um die Meinung, dass Priester in Fragen menschlicher Partnerschaften nichts sagen sollten, weil sie selbst darauf verzichten. Da wird genauso ein Denkverbot aufgestellt, wie wenn man Männer verbieten will, sich zu Abtreibungen zu äußern, weil sie keine Gebärmutter haben. Letztendlich läuft so eine Haltung auf eine Verengung des Diskurses und auf gruppenbezogene Intoleranz hinaus. In diesem Fall gegenüber der Gruppe der zölibatär Lebenden. Diese sind der lebende Beweis dafür, dass die These von "Sex als Grundbedürfnis ohne den gelingendes Leben nicht möglich sei" schlicht falsch ist.
Ein anderes, nicht zu unterschätzendes Argument ist dieses: Auch im 21. Jahrhundert ist das Christentum die am schlimmsten verfolgte Religion der Welt und Priester geraten besonders oft und gern ins Visier von Extremisten und Terroristen. Aber auch protestantische Pastoren werden entführt, gefoltert, ermordet. Sie hinterlassen meist Familien. An ihren Beispielen kann man sehen, wie verwund,- aber auch erpressbar menschliche Bindungen im Ernstfall machen. Natürlich ist das nur ein Nebeneffekt.
Wirklich lebbar wird der Zölibat, wie jedes lebenslange Versprechen, nur mit einem klaren positiven Ziel vor Augen. Und dieses Ziel heißt LIEBE. Der Zölibatäre ist ein Liebender, ein in Gott zutiefst verliebter Mensch. Für Ihn möchte er genauso ganz da sein, wie andere Menschen für ihre menschliche große Liebe. Das mag idealistisch, romantisch oder überspannt klingen. Tatsache bleibt, dass ein solch großer Lebensplan wie die priesterliche Berufung nur aus der Verheißung einer großen Liebe heraus gelebt werden kann. Nämlich der Liebe von Gott zu uns Menschen und zu dem ganz konkret berufenen Menschen. Und diese Liebe ist dann so groß, dass sie nichts anderes mehr neben sich duldet. Deswegen ist und bleibt der Zölibat die logische Lebensweise einer gottgeweihten Berufung.
Hut ab! Ein wirklich toller Kommentar zum Zölibat.
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