Botschaft zum XXIX Weltjugendtag - Teil 3

3. Selig, die arm sind vor Gott…Die erste Seligpreisung, das Thema des nächsten Weltjugendtags, erklärt diejenigen für selig, die arm sind vor Gott, denn ihnen gehört das Himmelreich. In einer Zeit, in der viele Menschen unter der Wirtschaftskrise leiden, kann es unangebracht erscheinen, Armut mit Glück zu verbinden. In welchem Sinn können wir die Armut als einen Segen auffassen?Zuallererst versuchen wir zu begreifen, was »arm vor Gott« bedeutet. Als der Sohn Gottes Mensch wurde, hat er einen Weg der Armut, der Entäußerung gewählt. Wie der heilige Paulus im Brief an die Philipper sagt: »Seid untereinander so gesinnt, wie es dem Leben in Christus Jesus entspricht: Er war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich« (2,5-7). Jesus ist Gott, der sich seiner Herrlichkeit entäußert. Hier sehen wir die Wahl der Armut Gottes: Er, der reich war, wurde arm, um uns durch seine Armut reich zu machen (vgl. 2 Kor 8,9). Es ist das Geheimnis, das wir in den Weihnachtsbildern betrachten, wenn wir den Sohn Gottes in einer Futterkrippe sehen; und dann am Kreuz, wo die Entäußerung ihren Höhepunkt erreicht.Das griechische Adjektiv ptochós (arm) hat keine nur materielle Bedeutung, sondern meint „bettelnd“. Es ist mit dem hebräischen Begriff deranawim, der „Armen Jahwes“ zu verbinden, der an Demut erinnert, an das Bewusstsein der eigenen Grenzen, der eigenen Daseinsbedingung der Armut. Die anawim vertrauen auf den Herrn; sie wissen, dass sie von ihm abhängen.Wie die heilige Theresa vom Kinde Jesu sehr gut gesehen hat, zeigt Jesus sich in seiner Menschwerdung als Bettler, als ein Bedürftiger auf der Suche nach Liebe. Der Katechismus der Katholischen Kirche sagt, dass der Mensch »vor Gott ein Bettler« ist (Nr. 2559) und dass im Gebet der Durst Gottes unserem Durst begegnet (vgl. Nr. 2560).Der heilige Franziskus von Assisi hat das Geheimnis der Seligkeit der Armen vor Gott sehr gut verstanden. In der Tat, als Jesus in der Person des Aussätzigen und im Gekreuzigten zu ihm sprach, erkannte er die Größe Gottes und die eigene Situation der Niedrigkeit. In seinem Gebet verbrachte Franziskus Stunden mit der Frage: »Wer bist du? Wer bin ich?« Er legte sein bequemes und sorgloses Leben ab, um sich mit der „Herrin Armut“ zu vermählen, um Jesus nachzuahmen und das Evangelium wörtlich zu nehmen. Franziskus hat die Nachfolge des armen Christus und die Liebe zu den Armen untrennbar miteinander verbunden gelebt, wie die beiden Seiten einer Medaille.Ihr könntet mich also fragen: Wie können wir praktisch erreichen, dass diese Armut vor Gott zum Lebensstil wird und konkret unser Leben prägt? Ich antworte euch in drei Punkten.Versucht vor allem, den Dingen gegenüber frei zu sein. Der Herr ruft uns zu einem evangeliumsgemäßen, schlichten Lebensstil und ermahnt uns, nicht der Kultur des Konsums zu erliegen. Es geht darum, die Wesentlichkeit zu suchen, zu lernen, viel Überflüssiges und Unnötiges, das uns erstickt, abzulegen. Kommen wir von der Habgier los, vom vergötterten und dann verschwendeten Geld. Geben wir Jesus den ersten Platz. Er kann uns von den Vergötterungen befreien, die uns zu Sklaven machen. Vertraut auf Gott, liebe junge Freunde! Er kennt uns, er liebt uns und vergisst uns nie. Wie er für die Lilien des Feldes sorgt (vgl. Mt 6,28), so lässt er es uns an nichts fehlen! Auch um die Wirtschaftskrise zu überwinden, muss man bereit sein, seinen Lebensstil zu ändern und die vielen Verschwendungen zu vermeiden. So wie der Mut zum Glück nötig ist, braucht es auch den Mut zur Genügsamkeit.An zweiter Stelle bedürfen wir alle, um diese Seligkeit zu leben, der der Umkehr in Bezug auf die Armen. Wir müssen uns um sie kümmern, ihre geistigen und materiellen Bedürfnisse einfühlsam wahrnehmen. Euch Jugendlichen übertrage ich in besonderer Weise die Aufgabe, ins Zentrum der menschlichen Kultur wieder die Solidarität zu setzen. Gegenüber alten und neuen Formen der Armut – Arbeitslosigkeit, Auswanderung, viele Abhängigkeiten verschiedener Art – haben wir die Pflicht, wachsam und informiert zu sein und die Versuchung zur Gleichgültigkeit zu überwinden. Denken wir auch an diejenigen, die sich nicht geliebt fühlen, die keine Zukunftshoffnung haben, die es aufgeben, sich im Leben zu engagieren, weil sie entmutigt, enttäuscht und verängstigt sind. Wir müssen lernen, den Armen nahe zu sein. Nehmen wir den Mund nicht voll mit schönen Worten über die Armen! Gehen wir auf sie zu, sehen wir ihnen in die Augen, hören wir ihnen zu! Die Armen sind für uns eine konkrete Gelegenheit, Christus selbst zu begegnen, seinen leidenden Leib zu berühren.Doch – und dies ist der dritte Punkt – die Armen sind nicht nur Menschen, denen wir etwas geben können. Auch sie haben uns viel zu geben, viel zu lehren. Wir haben so viel von der Weisheit der Armen zu lernen! Bedenkt, dass ein Heiliger des 18. Jahrhunderts, Benedikt Joseph Labre, der in Rom auf der Straße schlief und von den Almosen der Leute lebte, zum geistlichen Berater vieler Menschen wurde, darunter auch Adelige und Prälaten. In gewissem Sinn sind die Armen für uns wie Lehrmeister. Sie lehren uns, dass der Wert eines Menschen nicht nach seinem Besitz bemessen wird, danach, wie viel er auf seinem Bankkonto hat. Ein Armer, ein Mensch ohne materielle Güter behält immer seine Würde. Die Armen können uns auch viel über die Demut und das Gottvertrauen lehren. Im Gleichnis vom Pharisäer und dem Zöllner (Lk 18,9-14) stellt Jesus Letzteren als Vorbild dar, weil er demütig ist und sich als Sünder bekennt. Auch die Witwe, die zwei kleine Münzen in den Opferkasten des Tempels wirft, ist ein Beispiel der Großherzigkeit derer, die, obwohl sie wenig oder nichts besitzen, alles hergeben (vgl. Lk 21,1-4).

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