Brüderlichkeit, nicht nur in der eigenen Familie

Wenn sich eine brüderliche Liebe nicht nur auf die Mitglieder der eigenen Familie, sondern auf die ganze Menschheit erstreckt, dann kann dies ein erster Schritt auf dem Weg des Friedens sein, so lese ich es aus der Botschaft von Papst Franziskus zum XLVII. Weltfriedenstag.

In der Tat ist die Brüderlichkeit eine wesentliche Dimension des Menschen, der ein relationales Wesen ist. Das lebendige Bewusstsein dieser Bezüglichkeit bringt uns dazu, jeden Menschen als wirkliche Schwester bzw. wirklichen Bruder zu sehen und zu behandeln; ohne dieses Bewusstsein wird es unmöglich, eine gerechte Gesellschaft und einen gefestigten, dauerhaften Frieden aufzubauen. Und es ist sogleich daran zu erinnern, dass man die Brüderlichkeit gewöhnlich im Schoß der Familie zu lernen beginnt, vor allem dank der verantwortlichen und einander ergänzenden Rollen aller ihrer Mitglieder, besonders des Vaters und der Mutter. Die Familie ist die Quelle jeder Brüderlichkeit und daher auch das Fundament und der Hauptweg des Friedens, denn aufgrund ihrer Berufung müsste sie die Welt mit ihrer Liebe gleichsam anstecken.
Die ständig steigende Zahl der Verbindungen und Kontakte, die unseren Planeten überziehen, macht das Bewusstsein der Einheit und des Teilens eines gemeinsamen Geschicks unter den Nationen greifbarer. So sehen wir, dass in die Geschichtsabläufe trotz der Verschiedenheit der Ethnien, der Gesellschaften und der Kulturen die Berufung hineingelegt ist, eine Gemeinschaft zu bilden, die aus Geschwistern zusammengesetzt ist, die einander annehmen und füreinander sorgen. Diese Berufung steht jedoch bis heute oft im Widerspruch zu den Gegebenheiten und wird durch sie Lügen gestraft in einer Welt, die durch jene „Globalisierung der Gleichgültigkeit“ gekennzeichnet ist, die uns dazu führt, uns langsam an das Leiden des anderen zu „gewöhnen“ und uns in uns selbst zu verschließen.
In vielen Teilen der Welt scheint die schwere Verletzung der elementaren Menschenrechte – vor allem des Rechts auf Leben und des Rechts auf Religionsfreiheit – ununterbrochen weiterzugehen. Die tragische Erscheinung des Menschenhandels, in dem skrupellose Personen mit dem Leben und der Verzweiflung anderer spekulieren, ist ein beunruhigendes Beispiel dafür. Zu den Kriegen, die in bewaffneten Auseinandersetzungen bestehen, gesellen sich weniger sichtbare, aber nicht weniger grausame Kriege, die im wirtschaftlichen und finanziellen Bereich mit Mitteln ausgefochten werden, die ebenfalls Menschenleben, Familien und Unternehmen zerstören.
Wie Papst Benedikt XVI. sagte, macht die Globalisierung uns zu Nachbarn, aber nicht zu Geschwistern.[1] Außerdem weisen die vielen Situationen von unverhältnismäßiger Ungleichheit, Armut und Ungerechtigkeit nicht nur auf einen tiefen Mangel an Brüderlichkeit hin, sondern auch auf das Fehlen einer Kultur der Solidarität. Die neuen Ideologien, die durch verbreiteten Individualismus, Egozentrismus und materialistischen Konsumismus gekennzeichnet sind, schwächen die sozialen Bindungen, indem sie jene Mentalität der „Aussonderung“ fördern, die dazu verleitet, die Ärmsten, diejenigen, die als „nutzlos“ betrachtet werden, zu verachten und zu verlassen. So wird das menschliche Zusammenleben einem bloßen pragmatischen und egoistischen „Do ut des“ immer ähnlicher.
Zugleich wird deutlich, dass auch die gegenwärtigen Ethiken sich als unfähig erweisen, echte Bande der Brüderlichkeit herzustellen, denn eine Brüderlichkeit kann ohne den Bezug auf einen gemeinsamen Vater als ihr eigentliches Fundament nicht bestehen.[2] Eine echte Brüderlichkeit unter den Menschen setzt eine transzendente Vaterschaft voraus und verlangt sie. Von der Anerkennung dieser Vaterschaft her festigt sich die Brüderlichkeit unter den Menschen, bzw. jene Haltung, dem anderen ein „Nächster“ zu werden, der sich um ihn kümmert.(...)

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