Was hat Evita mit Donald Trump zu tun?
Seit der Wahl von Donald J. Trump zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika überschlagen sich die Zeitungen, Online-Magazine, Rundfunk- und Fernsehstationen. Während die einen jubeln, wittern die anderen den nahenden Weltuntergang. Gleichgültig scheint der Mann mit dem blonden Toupet niemanden zu lassen. Und selten schien nicht nur Amerika, sondern auch die Welt so tief gespalten. Dabei ist Trump nur ein Sympton für das tiefsitzende Misstrauen weiter Teile der Bevölkerung gegenüber denjenigen, die sie als "die Eliten" erfahren. Ja, es ist wieder soweit. Jahrhunderte nach Abschaffung der Ständegesellschaft ist die Klassengesellschaft zurück. Nicht auf dem Papier, aber in den Köpfen. Statt Adeliger und Grundbesitzer sind es nun bestimmten Berufsgruppen - Politiker, Journalisten, Manager - die als "die da oben" empfunden werden. Das Gefühl, dort mit den eigenen Problemen nicht gehört zu werden, ohnmächtig ausgeliefert zu sein, dieses Gefühl scheint zu bleiben. Betrachtet man besonders das letzte Jahrhundert, dann scheint es auch irrelevant zu sein, welche Regierungsform oder politische Ideologie gewählt wird. Früher oder später pendelt sich das gefühlte Machtgefälle wieder ein. Das ist besonders bei sozialistischen Umstürzen zu beobachten. Der kommunistische Traum einer klassenlosen Gesellschaft gipfelte schon bei Karl Marx in der Forderung nach der Diktatur des Proletariats, was nichts weiter als eine Umkehrung der Machtverhältnisse bedeutete. An der Tatsache, dass auch nach Umstürzen einige wenige Menschen Macht über viele Andere ausüben, ändert das nichts. Beispiele für sog. neue Machteliten nach Umstürzen gibt es ungezählte, von Castro auf Kuba bis Kim in Nordkorea, von Mussolini in Italien bis Perón in Argentinien.
Letzterer bringt mich auf den Grund, warum seine zweite Gattin in der Überschrift dieses Artikels erwähnt wird. Da ich über den historischen Juan Perón relativ wenig bis gar nichts weiß - sachdienliche Hinweise werden in der Combox gerne entgegengenommen - beschränke ich mich hier auf die legendenhafte Darstellung seiner zweiten Frau Evita in der Kunst. Ja, auch Musical sind Kunst. Ebenso wie die Operetten des 19. Jahrhunderts zählen sie zu den Straßenfegern des Kulturbetriebs und was Johann Strauß und Julius Wilhelm damals waren, sind Andrew Lloyd Webber und Tim Rice heute. Von daher bitte ich die geneigte Leserschaft um Nachsicht ob der zu erwartenden historischen Unschärfen. Aber gerade in einer legendhaft zugespitzten, künstlerischen Betrachtungsweise offenbaren sich Parallelen in die Gegenwart oft viel deutlicher.
Nimmt man nun also den Song "A new Argentina", in welchem die Musical-Evità die argentinischen Gewerkschaften mobilisiert, um die Freilassung Colonel Peróns und letztlich seine Machtergreifung zu erzwingen, so hört man im Refrain deutlich die suggestive Kraft der Masse. Die Arbeiter singen:
Auch Donald Trump hat sich in seinem Wahlkampf als Sprachrohr einer schweigenden, wenngleich unzufriedenen Mehrheit geriert. Auch mit ihm sollten sich der "einfache Mann", die "einfache Frau" identifizieren. Vielleicht waren auch seine entgleisten Sprüche einfach nur Taktik? Vielleicht sollten die sexistischen Sprüche eine kumpelhafte Nähe zu den sogenannten Stammtischbrüdern darstellen? Eine mentale Nähe quasi, da er finanziell in einer anderen Liga spielt? Womit er den Meisten fraglos furchtbar unrecht tun würde. Aber zumindest das mit der Identifikation klappte in Trumps Wahlkampf wohl sehr gut. Trotz des finanziellen Abstands zum Großteil seiner Wählerschaft positionierte er sich in dermaßen großen Abstand zur jenen, die als Eliten wahrgenommen wurden und konnte sich so in die Reihen der Unzufriedenen aufgenommen werden. Das Bonmot "Das wird man doch noch sagen dürfen", das es inzwischen auch in Deutschland gibt, drückt die Unzufriedenheit vielleicht am besten aus. Dabei werden für die Unzufriedenheit mit der eigenen, individuellen Lebenssituation alle möglichen Gründe gesucht, am besten jene, die jenseits des unmittelbaren Einflussbereichs des Sprechers liegen. Weswegen für die Lösung dann ein sog. "starker Mann" gesucht wird. Im Musical und in real Argentinien war es Perón, bei den US-Präsidentschaftswahlen war es Trump, in Russland vertrauen immer mehr Menschen auf Putin. Und riecht das hier nicht auch stark nach der AfD?
Und damit sind wir wieder bei der gesichtslosen Masse, die sich eine Galionsfigur sucht und hofft, durch diese selbst an die Macht zu kommen. Dass letztendlich nur die Galionsfigur die Macht mit den jetzt Mächtigen tauschen wird und die Masse an ihrem Platz verbleiben wird, das ist ihnen nicht bewusst. Und wird es auch bis zum Schluss nicht sein.
Letzterer bringt mich auf den Grund, warum seine zweite Gattin in der Überschrift dieses Artikels erwähnt wird. Da ich über den historischen Juan Perón relativ wenig bis gar nichts weiß - sachdienliche Hinweise werden in der Combox gerne entgegengenommen - beschränke ich mich hier auf die legendenhafte Darstellung seiner zweiten Frau Evita in der Kunst. Ja, auch Musical sind Kunst. Ebenso wie die Operetten des 19. Jahrhunderts zählen sie zu den Straßenfegern des Kulturbetriebs und was Johann Strauß und Julius Wilhelm damals waren, sind Andrew Lloyd Webber und Tim Rice heute. Von daher bitte ich die geneigte Leserschaft um Nachsicht ob der zu erwartenden historischen Unschärfen. Aber gerade in einer legendhaft zugespitzten, künstlerischen Betrachtungsweise offenbaren sich Parallelen in die Gegenwart oft viel deutlicher.
Nimmt man nun also den Song "A new Argentina", in welchem die Musical-Evità die argentinischen Gewerkschaften mobilisiert, um die Freilassung Colonel Peróns und letztlich seine Machtergreifung zu erzwingen, so hört man im Refrain deutlich die suggestive Kraft der Masse. Die Arbeiter singen:
"A new Argentina, the chains of the masses untiedDie sogenannten einfachen Leute werden nicht als Individuen sondern als gesichtslose Masse mit homogenen Bedürfnissen und Forderungen gesehen. Hier übrigens ebenso wie durchweg in allen sogenannten populistischen Bewegungen, von Julius Caesar bis Donald Trump . Schließlich sind die Machthaber für das Wohlergehen des ganzes Volkes verantwortlich und nichts hält ihnen so laut ihr vermeintliches oder tatsächliches Versagen entgegen als eine möglichst große Volksmenge, die lautstark um Brot bettelt. In einer solch prekären Situation ist der Wunsch nach möglichst schnellen, einfachen, am besten Ein-Mann-Lösungen menschlich verständlich. Die fiktive Evità singt:
A new Argentina, the voice of the people
Cannot be denied"
"There is only one man who can lead any workers' regime
He lives for your problems, he shares your ideals and your dream
He supports you, for he loves you
Understands you, is one of you
If not, how could he love me?
Now I am a worker, I've suffered the way that you doDamit reiht sie Perón und sich in die Reihe der unzufriedenen Menschen ein. Mehr noch, sie stellt sich mit ihnen gleich, fordert sie auf, sich mit ihr, der Bewunderten zu identifizierten. Dieser Spagat zwischen Anbetung und (zur Schau gestellter?) Demut durchzieht das ganze Stück. Die geforderte Identifikation des Volkes und auch des Publikums mit Evita soll soweit gehen, dass sie Peron mit ihren Augen sehen. Weil er für Evita gut ist, muss er auch für Argentinien gut sein. Das funktioniert zwar nur auf einer emotionalen Basis und nur solange man die Gleichung Evita = jeder einzelne x-beliebige Argentinier akzeptiert, aber sei es drum.
I've been unemployed, and I've starved and I've hated it too
But I found my salvation in Peron, may the nation
Let him save them as he saved me."
Auch Donald Trump hat sich in seinem Wahlkampf als Sprachrohr einer schweigenden, wenngleich unzufriedenen Mehrheit geriert. Auch mit ihm sollten sich der "einfache Mann", die "einfache Frau" identifizieren. Vielleicht waren auch seine entgleisten Sprüche einfach nur Taktik? Vielleicht sollten die sexistischen Sprüche eine kumpelhafte Nähe zu den sogenannten Stammtischbrüdern darstellen? Eine mentale Nähe quasi, da er finanziell in einer anderen Liga spielt? Womit er den Meisten fraglos furchtbar unrecht tun würde. Aber zumindest das mit der Identifikation klappte in Trumps Wahlkampf wohl sehr gut. Trotz des finanziellen Abstands zum Großteil seiner Wählerschaft positionierte er sich in dermaßen großen Abstand zur jenen, die als Eliten wahrgenommen wurden und konnte sich so in die Reihen der Unzufriedenen aufgenommen werden. Das Bonmot "Das wird man doch noch sagen dürfen", das es inzwischen auch in Deutschland gibt, drückt die Unzufriedenheit vielleicht am besten aus. Dabei werden für die Unzufriedenheit mit der eigenen, individuellen Lebenssituation alle möglichen Gründe gesucht, am besten jene, die jenseits des unmittelbaren Einflussbereichs des Sprechers liegen. Weswegen für die Lösung dann ein sog. "starker Mann" gesucht wird. Im Musical und in real Argentinien war es Perón, bei den US-Präsidentschaftswahlen war es Trump, in Russland vertrauen immer mehr Menschen auf Putin. Und riecht das hier nicht auch stark nach der AfD?
Und damit sind wir wieder bei der gesichtslosen Masse, die sich eine Galionsfigur sucht und hofft, durch diese selbst an die Macht zu kommen. Dass letztendlich nur die Galionsfigur die Macht mit den jetzt Mächtigen tauschen wird und die Masse an ihrem Platz verbleiben wird, das ist ihnen nicht bewusst. Und wird es auch bis zum Schluss nicht sein.
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