Sacerdos in aeternum: Josef Orgaß
Der Dezember ist ein beliebter Monat für Priesterweihen. So feierte Papst Franziskus am 13. Dezember 2014 den 45. Jahrestag dieses hehren Ereignisses. Für einen anderen Priester war es am 22.12.2014 genau 80 Jahre her, allerdings wird Josef Orgaß im Himmel feiern. Sein Leben umfasste beinahe das gesamte 20. Jahrhundert und er bewies, dass man auch in der Stille eines "ganz normalen Priesterlebens" nachhaltig wirken kann, wenn man dies in der Treue des Heiligen Geistes tut. Und schließlich ist es mir auch ein Bedürfnis, den Priester hinter jenem Mann zu würdigen, den ich als liebenswerten, weißhaarigen, Canasta-und-Klavier-spielenden Großonkel kennen lernen durfte. Bestimmte Dinge, wie sein Engagement in einer Münsteraner Studentenverbindung oder die Tätigkeit als Seemannspastor 1935 sind bislang nicht bestätigt, auch wenn der Verdacht (durch Fotos, Anekdoten und Zeitungsausschnitte) schon recht nahe liegt.
Um diese Rohskizze zu einem dem Porträtierten würdigen Artikel abzurunden, bin ich über sachdienliche Hinweise sehr dankbar.
Um diese Rohskizze zu einem dem Porträtierten würdigen Artikel abzurunden, bin ich über sachdienliche Hinweise sehr dankbar.
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Geboren wurde Josef Maria Orgaß am 8. Juli 1910 als ältester Sohn des Schneidermeisters Andreas Paul Orgaß und dessen Frau Elisabeth, geb. Selbach in Hamburg. In den nächsten Jahren folgten in rascher Folge drei Schwestern und ein Bruder, sowie nach dem ersten Weltkrieg drei weitere kleine Geschwister. Die Rolle als ältester Bruder nahm er sehr ernst, auch wenn er die Kinderzeit der Jüngsten eher aus der Ferne verfolgte, verließ er doch mit 16 Jahren sein Elternhaus, um am Gymnasium und Bischöflichen Konvikt in Meppen das Abitur abzulegen. In dieser Zeit wird er den Anruf Gottes "Komm, folge mir nach" verspürt haben, denn er trat 1929 von der Schulbank weg in das Priesterseminar in Osnabrück ein. Bis 1933 studierte er Philosophie und Theologie an der Universität Münster und als verantwortungsbewusster junger Mann übernahm er in einer der dortigen Studentenverbindungen des Unitas-Verbandes vielleicht einmal den Posten eines Chargen (Vorstand?). Vermutungen zufolge könnte es die Unitas Winfridia gewesen sein.
An jenem 22. Dezember 1934 muss das Wetter der Jahreszeit entsprechend ähnlich nasskalt gewesen sein, wie in diesen Tagen. Sonst hätten die kleineren Geschwister wohl kaum zu Hause bleiben müssen, während der 57jährige Bischof Wilhelm Berning ihrem Bruder im Dom zu Osnabrück die Hände auflegte und ihn zum Priester Jesu Christi weihte. Die Eltern und die älteren Geschwister waren leibhaftig dabei, während die Kleinen das Ereignis aus der Ferne im Rosenkranzgebet begleiteten. Nach der Primiz in der Gemeinde St. Josef im heimatlichen Hamburg-Hammerbrook, kam der junge Kaplan in die Pfarrei St. Johann nach Osnabrück. Ein Zeitungsbericht vom 24.12.1974 und familiäre Anekdoten erwähnen einen Einsatz als "Seemannspastor" in der Katholischen Seemannsmission "Stella Maris" in Hamburg. Auch hier fehlt die letzte Bestätigung der Vermutung, dass Bischof Berning den jungen Geistlichen in die stürmischen Zeiten nach dem Weggang des Gründerpastors P. Hans A. Reinhold OSB hineinstellte. Dieser war nach mehreren Zusammenstößen mit den Nationalsozialisten aus Hamburg ausgewiesen worden. Er emigrierte in die USA und wurde dort ein Vorkämpfer der sog. liturgischen Bewegung. Da die nationalsozialistischen Machthaber seit 1935 die Seemannsmission argwöhnisch beobachteten würde jeder Nachfolger des streitbaren Paters Reinhold es schwer gehabt haben. In diese aufgeladene Atmosphäre einen Neupriester hineinzuschicken und sei es nur für wenige Monate der Vertretung, das spräche Bände über das Vertrauen, welches der Bischof in einen solchen jungen Mann gesetzt hätte.
Uns heutigen Menschen scheinen die gesellschaftlichen Verhältnisse damals allgemein "sehr weit weg" zu sein. Wie anders wären die Bemerkungen zu erklären, mit denen das Verhalten des Osnabrücker Bischofs Wilhelm Berning und anderer einflussreicher Leute gegenüber den Nationalsozialisten aus der Sicht von heute oft verurteilt wird. Leicht wird sich Bischof Berning keine seiner Entscheidungen nach 1933 gemacht haben. Zu schnell wurde die wahre Haltung der Machthaber gegenüber der Katholischen Kirche deutlich. Aber man reizt ja auch keinen wütenden Bullen. So oder ähnlich wird sich das auch der junge Josef Orgaß gedacht haben. Ihm lagen vor allem die Menschen am Herzen. Treu verrichtete er seinen Dienst als Adjunkt, heute würde man Kaplan sagen; zunächst in Osnabrück, ab 1936 dann im emsländischen Meppen, das er bis zu seinem Tod im Jahr 2001 nicht mehr verlassen sollte. Politisch machte er sich nicht bemerkbar. Vielleicht auch, weil ihm das Schicksal seines jüngeren Bruders Hermann vor Augen gestanden haben mag. Dem Unteroffizier waren seine religiösen, wie es hieß "staatsfeindlichen" Aufzeichnungen zum Verhängnis geworden, so dass er 1943 eine Strafe in einem Berliner Gefängnis absitzen musste. Hernach bekam er einen Marschbefehl auf die Krim, wo er allerdings nicht mehr ankam. Bis auf diesen zu früh Verstorbenen kam die Familie Orgaß recht glimpflich aus dem Zweiten Weltkrieg heraus, auch wenn sie aus der Bombardierung Hamburg nicht mehr als das Leben retten konnten. Die Ausgebombten gingen nach Meppen, wo der Adjunkt für sie zu sorgen suchte, "wie die Kirche sorgt für ihre Kinder".
Dass dies nicht nur Worte sind, muss er wohl durch sein ganzes Priesterleben immer wieder unter Beweis gestellt haben, wenn in zahlreichen Würdigungen und Nachrufen die Worte "selbstloser Einsatz" und "bis zum letzten Hemd" am meisten gebraucht werden. Klingelte ein Bedürftiger an der Tür seines Pfarrhauses, so hatte die Haushälterin Mühe, den Pfarrer daran zu erinnern, dass sie selbst ja auch essen und trinken müssten. Wahren Pioniergeist bewies er 1945, als er, lediglich mit einem Bollerwagen für Messgewänder und Patene ausgerüstet, ins benachbarte Esterfeld zog, um den nach dem Krieg verstörten und traumatisierten Menschen Hirte und Seelsorger zu sein. Aus einem Gasthof und einer Notkirche wurde nach und nach Kirche und Gemeinde St. Maria zum Frieden. Die Umbennung der Pfarrstiege in Meppen in "Pfarrer-Orgaß-Stiege" drückt den Dank der Meppener über das Grab hinaus aus.
An jenem 22. Dezember 1934 muss das Wetter der Jahreszeit entsprechend ähnlich nasskalt gewesen sein, wie in diesen Tagen. Sonst hätten die kleineren Geschwister wohl kaum zu Hause bleiben müssen, während der 57jährige Bischof Wilhelm Berning ihrem Bruder im Dom zu Osnabrück die Hände auflegte und ihn zum Priester Jesu Christi weihte. Die Eltern und die älteren Geschwister waren leibhaftig dabei, während die Kleinen das Ereignis aus der Ferne im Rosenkranzgebet begleiteten. Nach der Primiz in der Gemeinde St. Josef im heimatlichen Hamburg-Hammerbrook, kam der junge Kaplan in die Pfarrei St. Johann nach Osnabrück. Ein Zeitungsbericht vom 24.12.1974 und familiäre Anekdoten erwähnen einen Einsatz als "Seemannspastor" in der Katholischen Seemannsmission "Stella Maris" in Hamburg. Auch hier fehlt die letzte Bestätigung der Vermutung, dass Bischof Berning den jungen Geistlichen in die stürmischen Zeiten nach dem Weggang des Gründerpastors P. Hans A. Reinhold OSB hineinstellte. Dieser war nach mehreren Zusammenstößen mit den Nationalsozialisten aus Hamburg ausgewiesen worden. Er emigrierte in die USA und wurde dort ein Vorkämpfer der sog. liturgischen Bewegung. Da die nationalsozialistischen Machthaber seit 1935 die Seemannsmission argwöhnisch beobachteten würde jeder Nachfolger des streitbaren Paters Reinhold es schwer gehabt haben. In diese aufgeladene Atmosphäre einen Neupriester hineinzuschicken und sei es nur für wenige Monate der Vertretung, das spräche Bände über das Vertrauen, welches der Bischof in einen solchen jungen Mann gesetzt hätte.
Uns heutigen Menschen scheinen die gesellschaftlichen Verhältnisse damals allgemein "sehr weit weg" zu sein. Wie anders wären die Bemerkungen zu erklären, mit denen das Verhalten des Osnabrücker Bischofs Wilhelm Berning und anderer einflussreicher Leute gegenüber den Nationalsozialisten aus der Sicht von heute oft verurteilt wird. Leicht wird sich Bischof Berning keine seiner Entscheidungen nach 1933 gemacht haben. Zu schnell wurde die wahre Haltung der Machthaber gegenüber der Katholischen Kirche deutlich. Aber man reizt ja auch keinen wütenden Bullen. So oder ähnlich wird sich das auch der junge Josef Orgaß gedacht haben. Ihm lagen vor allem die Menschen am Herzen. Treu verrichtete er seinen Dienst als Adjunkt, heute würde man Kaplan sagen; zunächst in Osnabrück, ab 1936 dann im emsländischen Meppen, das er bis zu seinem Tod im Jahr 2001 nicht mehr verlassen sollte. Politisch machte er sich nicht bemerkbar. Vielleicht auch, weil ihm das Schicksal seines jüngeren Bruders Hermann vor Augen gestanden haben mag. Dem Unteroffizier waren seine religiösen, wie es hieß "staatsfeindlichen" Aufzeichnungen zum Verhängnis geworden, so dass er 1943 eine Strafe in einem Berliner Gefängnis absitzen musste. Hernach bekam er einen Marschbefehl auf die Krim, wo er allerdings nicht mehr ankam. Bis auf diesen zu früh Verstorbenen kam die Familie Orgaß recht glimpflich aus dem Zweiten Weltkrieg heraus, auch wenn sie aus der Bombardierung Hamburg nicht mehr als das Leben retten konnten. Die Ausgebombten gingen nach Meppen, wo der Adjunkt für sie zu sorgen suchte, "wie die Kirche sorgt für ihre Kinder".
Dass dies nicht nur Worte sind, muss er wohl durch sein ganzes Priesterleben immer wieder unter Beweis gestellt haben, wenn in zahlreichen Würdigungen und Nachrufen die Worte "selbstloser Einsatz" und "bis zum letzten Hemd" am meisten gebraucht werden. Klingelte ein Bedürftiger an der Tür seines Pfarrhauses, so hatte die Haushälterin Mühe, den Pfarrer daran zu erinnern, dass sie selbst ja auch essen und trinken müssten. Wahren Pioniergeist bewies er 1945, als er, lediglich mit einem Bollerwagen für Messgewänder und Patene ausgerüstet, ins benachbarte Esterfeld zog, um den nach dem Krieg verstörten und traumatisierten Menschen Hirte und Seelsorger zu sein. Aus einem Gasthof und einer Notkirche wurde nach und nach Kirche und Gemeinde St. Maria zum Frieden. Die Umbennung der Pfarrstiege in Meppen in "Pfarrer-Orgaß-Stiege" drückt den Dank der Meppener über das Grab hinaus aus.
Erste Anmerkung: ;) "Konvikt" würde ich mit v schreiben! Ausgesprochen wurde das allerdings auch bei uns "Konfikt" ;) http://de.wikipedia.org/wiki/Konvikt
AntwortenLöschenMaReine, die pingelige ;)
Danke, du Pingelige. Ist schon korrigiert.
LöschenÜbrigens,noch ein gutes neues Jahr!
Danke, dir auch! :)
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