Seht, wie sie einander lieben

Passend zu der Gebetsmeinung des Heiligen Vaters für diesen Monat Juni stelle ich diesen Artikel jetzt doch online. Er gurgelt bereits seit Monaten in der Entwurfsansicht herum und ist deswegen nicht mehr ganz brandaktuell. Das Unbehagen, das ich darin formuliere, ist leider nicht nur einmalig oder punktuell.
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Ich habe ich da vor einiger Zeit eine interessante Entdeckung gemacht. In einer Gruppe auf Facebook, in der sich von mir sehr geschätzte und gemochte Personen tummeln und einander ihr Leid über verunglückte Verkündigung in den Social - Media klagen, habe ich vor einiger Zeit mein Unbehagen formuliert, das mich in letzter Zeit bei der Lektüre aus diesen Kreisen immer öfter beschleicht. Zugegeben, der Ort war schlecht gewählt, der Artikel unter den ich diesen Kommentar platzierte, gehörte zu den ausgewogeneren jenes Blogger-Kollegen. Dafür möchte ich hier in aller Form um Verzeihung bitten. Ich sage bewußt nicht "entschuldigen", denn wie wir alle wissen, gibt es eine "Ent-schuldigung" nicht. Man kann nur um Verzeihung bitte und sie gewährt bekommen. Verzeihung habe ich übrigens nicht gewährt bekommen. Stattdessen wurde ich kommentarlos aus der Gruppe entfernt. Ok, in einem Thread kommentierte der Admin einmal lakonisch "ich kann dich auch aus der Gruppe entfernen", allerdings habe ich das nicht als unmittelbare Drohung / Ankündigung empfunden, vor allem, da dann direkt danach nichts weiter geschehen ist.

[Update!] Tatsächlich war ich einigermaßen überrascht, als ich bei einem Routinecheck meiner facebook-Gruppen feststellen musste, dass ich aus dieser Gruppe gelöscht wurde. Eine Vorwarnung via pn hätte ich zumindest höflich gefunden. Aber, was weiß denn ich?!

Woher rührt also mein Unbehagen?

Bisher war es lediglich ein kleines Magengrummeln, das sich immer dann rührte, wenn Leute etwas für sich in Anspruch nehmen, was sie an der vermeintlichen Gegenseite kritisieren. In diesem Fall ist eine Art moralischer Zeigefinger, der gegenüber jenen geschwungen wird, die vermeintlich weniger oder weniger passend gläubig sind.  "Ich könnte das ja viel besser und frömmer, wenn mich die böse, kirchensteuerfinanzierte Kirche nur ließe."
Natürlich bin ich  keine vehemente Verteidigerin der herrschende Umstände im deutschen Teil der Una Sancta, wo die Verteilung der kirchensteuergefüllten Fleischtöpfe von außen nicht immer ganz nachzuvollziehen ist. In manchen Fällen kann sogar der Verdacht von Klüngelei aufkommen, wenn einige katholische Initiativen von Spenden leben und nicht alle Projekte realisieren können, wohingegen Andere ihr Ding scheinbar ohne Mühe durchziehen.

Aber stimmt das auch immer? Wie detailliert haben wir als "einfache Gläubige" denn Einblick in die Finanzberichte der Bistümer und wieviel Einfluss können wir auf Verteilungsfragen nehmen? Antwort: keine. In beiden Fällen. Und ist das unbedingt so nötig? Können wir nicht selbst entscheiden, in welche privaten Initiativen wir unsere Zeit und Energie investieren? Inwischen gibt es wieder viele Gemeinschaften, Gruppen und Initiativen junger Christen, bei denen sich ein Engagement lohnt. Nebenbei bemerkt haben auch die so vielgescholtenen "Vier-Buchstaben-Vereinigungen" mal als Graswurzelinitiativen gläubiger Katholiken begonnen, die nicht auf die kirchliche Hierarchie warten wollten. Es gibt genug Möglichkeiten, den Glauben so zu leben, wie jeder Einzelne es für richtig erachtet. Und dabei habe ich eine Hoffnung: Können wir nicht den moralisierenden Unterton im gegenseitigen Gespräch unterlassen, bitte? In den seltensten Fällen verbergen sich in den Äußerungen schwerwiegende lehramtliche Mängel, um das böse Wort mit H zu vermeiden. Meistens geht es doch eher um Geschmacksfragen. Denn ob ihr es glaubt oder nicht, auch die Bevorzugung eines bestimmten liturgischen Ritus vor einem anderen fällt für mich ebenso unter Geschmack wie die Bevorzugung einer Musikrichtung vor einer anderen. Was dem einen gefällt, muss für den anderen nicht passend sein. Doch beides kann in sich gut sein. Unter den Mantel unserer hohen Mutter, der Kirche, passt soviel Unterschiedliches drunter, dass wir eigentlich ganz gelassen bleiben könnten. 

Doch warum kracht es dann nicht selten gerade im katholischen Lager? Wieso fällt es gerade gläubigen Christen so schwer, eine andere Sichtweise einfach gelten zu lassen? Wieso muss der Andere in letzter Zeit immer häufiger "der Feind" sein? Zugegeben, der Wind wird gesamtgesellschaftlich rauher und der "Rauch Satans ist mancherorts auch schon in die Kirche eingedrungen". Das ist aber auch nicht neu, das wusste bereits Papst Paul VI. Vielleicht kann ein Blick über den eigenen Tellerrand und die eigene Filterblase hinaus helfen, einige dieser Gräben zuzuschütten.


Zwischen Eigen- und Fremdwahrnehmung

Mir hat da der Besuch des Katholischen Medienkongress im Oktober 2017 in mehr als einer Hinsicht die Augen geöffnet. Ich hätte es mir ja nie träumen lassen, dass man mich mal auf so einer offiziellen Veranstaltung findet. Aber so ist das eben, wenn man hauptberuflich für eine Ordensgemeinschaft schreibt, die zwar klein, aber sehr umtriebig ist. Es war der zweite seiner Art und rund 300 Leute waren da. So steht es jedenfalls in einem Rückblickartikel auf katholisch.de, die so ein bisschen zu den Veranstaltern gehörten. Und damit komme ich auch schon zum Wesentlichen oder zumindest zu einem Teil dessen, was ich hier beschreiben möchte. Ich hab mich während dieser zwei Tage immer wieder dabei ertappt, wie ich über meine eigenen Vorurteile gestolpert bin. Das glaubt man von sich meist gar nicht. Vorurteile haben immer die anderen, nie man selber. Aber es ist doch so: Niemand ist eine weiße Leinwand. Wir alle haben unsere Prägungen, Werte, Vorstellungen und Meinungen. Das sitzt wie eine unsichtbare Brille auf unserer Nase und durch diese Brille betrachten wir die Welt. Wir alle. Auch ich. Dass sich im Laufe der Zeit auch einige schlechte Erfahrungen einschleichen, versteht sich von selbst. Das führt dann dazu, dass man etwas vorsichtiger wird, aber das ist gar nicht schlecht. Man muss nur aufpassen, dass sich keine Feindbilder auswachsen und wenn man, dann ist es gut, wenn man sich mal in so ein vermeintliches "Feindesland" begibt. Das klärt die Sicht wenn man feststellt, dass "auf der anderen Seite" auch nette Menschen schreiben. Wobei "nett" ja eigentlich kein Kriterium für guten, also wahrhaftigen Journalismus sein sollte. Sagen wir vielmehr, ich habe gelernt, dass sich die meisten Redaktionen bemühen, professionell zu arbeiten. Egal, ob sie on- oder offline schreiben, regional oder überregional, täglich, oder wöchentlich, Feuilleton oder Boulevard. Alle machen ihre Arbeit und meistens auch mit einer guten Absicht. Ich sage hier bewusst "die meisten" und "bemühen" und hoffe, dass ich hier nicht gleich den nächsten Shitstorm mit Negativbeispielen für unterirdisch schlechten Journalismus an der Backe habe. Ebenso wenig habe ich Lust auf einen Shitstorm zum Thema "Bemühen ist nicht genug". Es gibt überall schwarze Schafe und Menschen, die sich von ihren eigenen Vorurteilen die Feder führen lassen. Während dieser Tage im letzten Oktober habe ich jedoch erfahren, dass diese schwarzen Schafe weit weniger zahlreich sind als befürchtet.

Wirksamer als alle wohlfeilen Beschwerden über die Anderen in (un)genannten Bistümern wäre vielleicht, wenn sich jeder auf das besinnt, was er selbst gerade macht bzw. machen kann. Auf die vermeintliche Inkompetenz anderer Menschen zu schimpfen ist nämlich immer leichter, wenn man sich gleichzeitig aus der Verantwortung stielt, ihnen tatsächlich bei ihrer Arbeit tatkräftig zu helfen. Oder anders ausgedrückt: Miteinander reden ist immer noch wirkungsvoller als überander. Oder, wie Papst Franziskus es ausdrücken würde: Tratsch ist Sünde.

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