Sewing adventures #7: Das einfachste Kleid der Welt

 oder: Was Geometrie mit  Nähen zu tun hat

Manchmal geht eine Tür direkt vor der Nase zu. So fühlte es sich jedenfalls an, als ich mich fünfzehn Minuten vor Ablauf der Eingabefrist des 2024er Wettbewerbs von Foundation Revealed vor unüberwindlichen technischen Hürden sah, deren Überwindung sowohl den zeitlichen Rahmen als auch meine nervliche Belastbarkeit überreizt hätte. Das war zunächst etwas frustrierend, doch zum Glück gibt es mehr als eine Möglichkeit, Ideen und Erfahrungen zu teilen. Also hole ich dieses Blog wieder hervor, staube es ab und schüttele es gut aus, um es aus dem Schlaf zu wecken und teile mit euch, die wahrscheinlichste einfachste Art, ein Kleid zu machen. 

Die Methode ist annähernd 2000 Jahre alt (ca. 300 v.Chr. bis 1700 A.D.) und man braucht dazu nur Rechtecke und Dreiecke des Stoffes. Der Name des fraglichen Kleidungsstückes hat sich in den Jahrhunderten gewandelt, doch eine altrömische Tunika sah gar nicht so anders als ein hochmittelalterliches Hemd (engl.: shift) oder Kleid (engl.: kirtle). Ein "shift"-artiges Hemd war sogar bis ins beginnende 19. Jahrhundert die erste Schicht am menschlichen Körper. Bei einem solch wohlerprobten Kleidungsstück ist es nicht verwunderlich, dass eine Kombination aus "shift" und "kirtle" schon lange auf der Liste der historischen Kleidungsstücke steht, die ich selbst nähen wollte. Als Anlass und Inspiration dienten mir das Motto des 2024er Wettbewerbs von Foundation Revealed: "Into another world" und mein absolutes Lieblingsbuch, J.R.R. Tolkiens "Herr der Ringe (engl.: lord of the rings)".  

Sowohl für eine "shift" als auch für das "kirtle" braucht man nur Rechtecke und Dreiecke nach den eigenen Körpermaßen, was das Zuschneiden wirklich vereinfacht, wenn man das Prinzip einmal verstanden hat. Man geht von den Schultermaßen und dem Brustumfang aus und misst dann die Länge des Körpers hinab und erhält so das Vorder- und Rückenteil. Um dem Rockteil etwas Fülle zu verleihen, setzt man in den Seitennähten und, wenn gewünscht, im Vorder- und Rückteil ein dreieckiges Godet ein. Auch die Ärmel bestehen aus zwei Rechtecken (Länge des Armes und Umfang der angespannten stärksten Stelle des Armes) mit kleinen dreieckigen Godets unter den Achseln. 
Kleid und Unterkleid sind einfach zugeschnitten und mich an dem orientierend, was im Hochmittelalter (12.-14. Jahrhundert) üblich gewesen wäre, habe ich Leinenstoff und gewachstes Leinengarn verwendet und von Hand genäht (running backstitches und wipstiches). Wie bei allem, macht die Übung auch hier den Meister und da Handnäharbeiten wunderbar mobil sind, kann ich auch an Feierabenden bei Kerzenschein daran arbeiten. Wie Generationen von Frauen vor mir und vielleicht wie Eowyn und ihre Mutter Théodwyn aus dem königlichen Haus von Rohan aus dem "Herrn der Ringe", für dessen Kultur sich Prof. Tolkien an der angelsächsischen Kultur des Hochmittelalters orientierte. 

Für das komplette Outfit aus "shift", "kirtle" und kurzem "surcoat" hatte ich Eowyn und die Frauen der Rohirrim vor Augen, wie sie auf der Flucht in die Bergfeste von Dunharg (engl.: Dunharrow) sind. 




Für die Fotos danke ich wieder dem lieben Benjamin! 


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